Zwischen Nachkriegspropaganda, Kulturimperialismus und Kulturkritik: Marcel Prawys Lecture-Performances am Wiener Kosmos-Theater Anfang der 50er Jahre
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Abstract
Wenn man von „Kontaktzonen“ (Pratt 1991) spricht, denkt man vermutlich nicht zuerst an Wien in der Nachkriegszeit, und dennoch beschreibt Pratts Definition von „sozialen Orten, an denen Kulturen zusammentreffen, aufeinanderprallen und miteinander ringen“ (ibid. 34) die Situation, die Marcel Prawy bei seiner Rückkehr in die österreichische Hauptstadt vorfand, am treffendsten. Mit dem Kosmos Theater schuf die U.S. Armee im US-Sektor eigens einen Raum für den kulturellen Austausch, wobei US-amerikanische Kultur als Propagandawerkzeug im Kampf gegen den Nationalsozialismus und Kommunismus eingesetzt wurde, um Einheimische für den „American Way of Life“ zu gewinnen.
Als Inbegriff von Greenblatts Konzept der „mobilizer“ (Greenblatt et al. 2009, 253) scheute Prawy keine Mühen, dem konservativen österreichischen Publikum samt seinen Kritiker*innen und Kulturpolitiker*innen, das neue Genre des Broadway-Musicals, welches er während seines Exils in New York kennen und lieben gelernt hatte, näher zu bringen. Sein Hintergrund als Remigrant und mobilizer prägte seinen Zugang als erfolgreicher Vermittler zwischen österreichischer und US-amerikanischer Kultur dabei ebenso wie seine Ausbildung zum Nachrichtenoffizier der US-Armee.
Prawys beliebte Lecture-Performances werden durch eine kritische Betrachtung seiner Repertoireauswahl innerhalb der zuvor erwähnten positiven Selbstdarstellung der Vereinigten Staaten im Ausland kontextualisiert. Diese Nähe zur Nachkriegspropaganda, so die These dieser Arbeit, trug zur schwierigen Rezeption des Genres in Wien bei. Im Laufe des Kalten Krieges setzten sich die Österreicher*innen zunehmend kritisch mit den ehemaligen Besatzer*innen auseinander und wandten sich von der von den US-Amerikaner*innen favorisierten Romantisierung des „American Way of Life“ ab.